Historischer Hintergrund

Das Jahr 1713…

Mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts ist für die westliche Zivilisation eine neue Epoche angebrochen, die unmittelbar auch den ersten tatsächlichen „Weltkrieg“ mit sich brachte: Den spanischen Erbfolgekrieg. Über ein Jahrzehnt hatten sich die mächtigen Könighäuser Europas rund um den Globus die Köpfe eingeschlagen – so auch in den Kolonien der Neuen Welt. Ein über hundert Jahre andauerndes, als geradezu zementiert angesehenes Kräfteverhältnis in den reichen Kolonien der Karibik war durch den Krieg zerschlagen worden, und im Chaos der Nachkriegszeit versuchte eine kleine, aber sehr renitente Gruppe von Menschen ein letztes Mal, die Gunst der Stunde auszunutzen und sich vom Joch der Kolonialmächte zu befreien: Die Piraten von Nassau.

Der Inzest der Habsburger rächt sich…

Alles beginnt mit einem schwächlichen Jungen, der ausgerechnet den mächtigsten Thron der Welt erbt: Karl der 2. von Spanien ist das traurige Ergebnis mehrerer Generationen von Habsburger Inzucht. Aufgrund seiner schwächlichen Gesundheit fällt es dem designierten Thronerben des zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte mächtigsten Königreich der Welt schwer, auch nur seine eigene Kindheit zu überleben. Obwohl Karl den Thron technisch gesehen fast 35 Jahre innehatte, war er Aufgrund seiner Degeneration nie selbst regierungsfähig. Über lange Zeit hatte seine Mutter faktisch die Regierungsmacht inne, bis diese sich mit dem Adel verstritt und verbannt wurde. Karl war Zeit seines Lebens Spielball verschiedener politischer Akteure, und als er 1700 kinderlos verstarb, hinterließ er keinen Erben.

Das daraufhin entstandene Machtvakuum erschütterte Europa. Spanien war nicht nur Großmacht um 1700 – es war de facto die weitreichendste, mächtigste Monarchie der Welt. 

Die umfangreichen Kolonien in Mittel- und Südamerika brachten Schätze von unglaublichen Ausmaßen zu Tage – Anfang des 18. Jahrhunderts war Spanien einziger relevanter Silberproduzent weltweit, so dass alle Währungen letztendlich auf spanischem Silber fußten – bis hin nach China. Dieses Silber wurde unter Anderem auf dem „Spanish Main“, dem heutigen Mittelamerika, gefördert und über die Karibik nach Europa transportiert.

Der Sonnenkönig greift nach der Macht…

Nach dem Ableben Karls 2. war vor allem eine Dynastie daran interessiert, ihren Anspruch auf den Thron Spaniens durchzusetzen: Die Bourbonen, die Herrscher des mächtigen französischen Kolonialreiches. Frankreich und seine Einflusssphäre stand Spanien zu dieser Zeit nur wenig nach: während Spanien wertvolle Ressourcen und Geldmittel auf seiner Seite hatte,  verfügte Frankreich über das weltweit stärkste Militär. Unter dem „Sonnenkönig“ Louis dem 14. war der Einfluss Frankreichs noch weiter gewachsen, und so sah es jener auch als Erbrecht seiner Dynastie an, den spanischen Thron zu besetzen. Die österreichischen Habsburger widersprechen dem natürlich vehement, und so formten sich schnell Bündnisse und Allianzen zugunsten der ein oder anderen Dynastie. Großbritannien und die Niederlande beispielsweise konnten einer Machterweiterung Frankreichs auch nicht tatenlos zusehen und schlossen schnell ein Bündnis mit den Habsburgern. Knapp ein Jahr nach dem Tod Karls 2. waren die Fronten in Europa verhärtet, und mit dem spanischen Erbfolgekrieg brach erstmal in Europa ein Krieg aus, bei dem es um das gesamteuropäische Machtgleichgewicht ging – und der sich weit über die Grenzen Europas in die Kolonien ausbreitete.

Bei der Kolonialisierung und insbesondere in der Karibik folgten die Kolonialmächte unterschiedlichen Strategien. Während beispielsweise Großbritannien und die Niederlande eher darauf setzten, ihr Kolonien zu möglichst selbstständigen und unabhängigen Zulieferern zu machen, gingen Frankreich und insbesondere Spanien rigoroser vor und beließen viele Kolonien in ausbeuterischer Abhängigkeit zur Alten Welt. Dies sollte sich während des Krieges rächen.

Der Krieg verlagert sich in die Kolonien…

Während Frankreich noch die militärischen Ressourcen hatte, seine eher kleinen und wenigen Kolonien in der Karibin zu verteidigen, brachen für viele spanische Kolonien Schutz und Versorgung durch das Mutterland ab. Nahrung, Genussmittel, Werkzeuge, Waffen – viele essentielle Güter waren den Kolonien über ein weitreichendes Handelsnetzwerk geliefert worden. Diese Versorgung brach mit Beginn des Krieges zusammen. Gleichzeitig stapelten sich wertvolle Exportprodukte der Kolonien wie Silber, Gold, Edelsteine und Artefakte in den nahezu schutzlosen Häfen, da auch diese nicht mehr regelmäßig abgeholt wurden. Die Folge davon waren unzählige Raubzüge und Eroberungskämpfe, die über Jahre die ohnehin schon schwächelnden spanischen Ortschaften beutelten und letztendlich auch zu einem letztmaligen Aufblühen der Piraterie in der Karibin führten.

Während es die massive Militärpräsenz der Kolonialmächte den Piraten in den Jahrzehnten zu vor immer schwerer gemacht hat, erfolgreich auf Beutezug zu gehen und nicht am Galgen zu enden, brach diese Kontrolle mit dem Abzug der Streitkräfte in die Alte Welt wieder vollends zusammen. Konvois, die zuvor von Kriegsschiffen eskortiert worden waren, fanden sich auf einmal schutzlos oder nur mit kleiner Eskorte den Piraten ausgeliefert. Die aktive Verfolgung Gesetzloser durch die Seestreitkräfte wurde von fast jeder Nation eingestellt. Ein unverhofftes Glück für diejenigen, die schon geglaubt hatten, dass ihre goldene Zeit bereits davongesegelt war. Während des spanischen Erbfolgekrieges und in den Jahren danach erlebte die Piraterie in der Karibik ihren letzten großen Höhepunkt, bevor sie dann großteilig im Nebel der Geschichte verschwinden.

1713: Das Ende des Krieges – und vieler Karrieren…

Das Jahr 1713 markiert das Ende des Erbfolgrkrieges – und somit auch das Ende der Karrieren vieler Freibeuter, die für die ein oder andere Krone während des Krieges auf Beutefang gegangen waren. Anders als Piraten waren Freibeuter durch einen Kaperbrief von einer Nation legitimiert, Schiffe des Kriegsgegners anzugreifen und im Namen der Krone zu kapern. Mit Ende des Krieges erlischt diese Legitimation jedoch – und was dann? Wer seine Tätigkeit einfach fortsetzte, war von nun an gesetzlos und von allen Nationen geächteter Pirat. 

Eine Rückkehr in die zivile Schiffahrt war meist schwer, da nsch Kriegsende auch die Seestreitkräfte der Nationen verkleinert werden und ohnehin viele professionelle Seeleute auf der Suche nach einer neuen Heuer sind. Somit war es nicht verwunderlich, dass viele Freibeuter weiter von ihrem Wissen und Können gebrauch machten und zu Piraten wurden – verstärkt durch all die Seeleute, die nach dem Marinedienst keinen anderen Platz gefunden hatten.

Die Republik der Piraten entsteht in Nassau…

Tatsächlich war die Verheerung des Krieges so massiv, dass die Kolonialmächte einige Jahre brauchten, um auch in den Kolonien der Neuen Welt wieder Präsenz zeigen zu können. In dieser Zeit entwickelte sich die Piraterie in der Karibik immer mehr zu einem ernstzunehmenden Problem, da sie inzwischen einen Wirtschaftsfaktor darstellte – einen unkontrollierbaren Wirtschaftsfaktor. Über die Jahre waren einige Piraten so mächtig geworden, dass sie ganze Flotten an Schiffen unterhielten, eigene Städte gründeten oder de facto die Kontrolle über eine Kolonie übernommen hatten.

Prominente Beispiele dafür waren das französische Tortuga, wobei dessen Glanzperiode um 1713 schon etwas zurücklag, oder das britische Nassau auf den Bahamas. In der Zeit des spanischen Erbfolgekrieges entwickelte sich Nassau in kurzer Zeit zum Piratenhafen, nachdem Henry Morgen sich durch eine generöse Bestechung in die Gunst des Gouverneurs eingekauft hatte und damit den Piraten die Fluttore öffnete. Als der Gouverneur dann auch noch verstarb und Großbritannien in den Wirren des Krieges keinen neuen einzusetzen vermochte, übernahmen endgültig die Piraten die Führung über die Hauptstadt von New Providence Island. Das Bündnis der „Flying Boys“, dem unter anderen die berühmten Piraten Benjamin Hornigold, Charles Vane und Edward Teach (Blackbeard) angehörten, gründete schließlich in Nassau die „Republik der Piraten“ – damals schon in der Staatsform eine ungeheuerliche Anmaßung. Dennoch mussten die Großmächte die Piraten erstmal gewähren lassen, da keine von Ihnen allein die Kraft hatte, gegen die inzwischen mächtigen Gesetzlosen anzugehen. Das gute Netzwerk und die Guerillataktiken der Piraten machten einen direkten Angriff unmöglich – eine Vernichtung hätte bedeutsame Ressourcen verschlungen, die die kriegsgebeutelten Länder in den 1710er Jahren nicht opfern konnten oder wollten.

Die Republik der Piraten war weniger ein machtpolitisch agierender Staat als vielmehr ein loses Bündnis Gleichgesinnter, die vor allem ein Wunsch einte: Freiheit!

Das damaligr Leben als einfacher Arbeiter oder Seemann war hart und stets vom Joch der höher Geborenen und gesellschaftlich Bessergestellten dominiert. Eine Gesellschaft, in dem jeder eine Stimme hatte und die Beute gerecht geteilt wurde, in dem Verwundete eine frühe Form der Invalidenhilfe bekamen und unermessliche Reichtümer winkten, klang für viele Menschen damals wie ein Traum. Auch und insbesondere für Gruppen von Menschen, die damals massiv sozial benachteiligt wurden, wie zB entflohene Sklaven oder aber auch Frauen, war die Republik der Piraten ein Zufluchtsort vor Verfolgung und Misshandlung geworden. Für ein paar Jahre sollte das Goldene Zeitalter der Piraten in Nassau noch einen letzten Höhepunkt erleben.

All dies änderte sich im Jahr 1718

Einerseits hatte sich das britische Königreich langsam von den Folgen des Krieges erholt, andrerseits aber war auch die Bedrohung durch die Piraten so massiv geworden, dass die Brirische Krone Nassau nicht mehr dulden konnte. Eine Teils durch die Navy, Teils privat finanzierte Expedition unter dem Veteranen und designierten neuen Gourverneur von New Providence Woods Rogers wurde entsandt, um Nassau den Piraten zu entreißen. Sieben Kriegsschiffe und eine Reihe von Versorgungsschiffen kommandierte Rogers auf dem Weg nach Nassau – inklusive einer kleinen Armee von Marineinfanteristen. 

Die Flotte von Woods Rogers traf in Nassau zu einem Zeitpunkt ein, in dem sich das fragile Bündnis der Piraten ohnehin in schlechtem Zustand befand. Ohne ernstzunehmende Gegenwehr und mit steigendem Beuteerfolg sahen viele der ursprünglichen Gründer der Republik keine Notwendigkeit mehr für eine Zusammenarbeit und gingen ihre eigenen Wege – so zum Beispiel Bleackbeard Edward Teach und Charles Vane. Die Gegenwehr in Nassau war schwach, als Rogers Expedition eintraf, und nach kurzer Zeit hatte der Gouverneur seine neue Kolonie wieder für die Krone in Besitz genommen. Es ist allerdings historischen Quellen zu entnehmen, dass die Piraten im weiteren Verlauf noch häufig Widerstand geleistet hätten und Nassau sogar zwischenzeitlich wieder in ihre Hände fiel.

Erst mit der köninglichen Amnestie für alle reuigen Piraten, die Rogers schließlich bei Hof erreichte, beruhigte sich die Lage in Nassau schließlich. Einige Gründer der Republik selbst machten davon Gebrauch, wie zum Beispiel Benjamin Hornigold, der im Anschluss sogar berüchtigter Piratenjäger wurde.

Mit der Übernahme von Nassau durchs Rogers Truppen und die Befriedung von New Providence wurde den Piraten ihre letzte Hochburg in der Karibin genommen und die Republik der Piraten de facto zerschlagen. Auch wenn Piraten wie Teach oder Vain noch für einige Zeit die Karibik auf eigene Faust unsicher machten – die meisten von Ihnen wurden schlussendlich gefasst, gehängt, sind im Kampf gefallen oder in den mysteriösen Nebeln der Geschichte verschwunden.

Gegen 1725 endet die sogennante Goldene Zeit der Piraterie in der Karibik, die über 100 Jahre angedauert hatte. Übrig geblieben sind wenig authentische historische Dokumente, aber eine nach wie vor starke Faszination für das Thema und natürlich eines der stärksten Symbole aus der Zeit der Republik der Piraten, geschaffen vom Flying Boys Piratencapitän „Calypso“ Jack Rackham:

Der Jolly Roger – die Piratenflagge.